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Bundesrat will kommunales Vorkaufsrecht ausweiten.

veröffentlicht am: 10.06.2022

Bei seiner Sitzung am 8. April fasste der Bundesrat eine sogenannte Entschließung – eine Art Initiative, die sich an die Bundesregierung richtet: Das kommunale Vorkaufsrecht soll vor allem in Milieuschutzgebieten ausgeweitet und verschärft werden. Mit anderen Worten: Das Baugesetzbuch (BauGB) soll so angepasst werden, dass das eigene Handeln legitimiert wird. Macht sich die Politik nun die Welt, wie sie ihr gefällt?

Der Hintergrund

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerWG) vom 9. November 2021 war ziemlich eindeutig: Der bisherigen Praxis zum Vorkaufsrecht wurde weitgehend die Grundlage entzogen. Eine Immobiliengesellschaft hatte gegen die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts geklagt, nachdem das Berliner Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg das Vorkaufsrecht zugunsten einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft ausübte.

Das Bezirksamt rechtfertigte den Vorkauf mit der Begründung, dass im Anschluss an die Veräußerung die Wohnungen aufgewertet und die Mieten erhöht oder die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt würden. Man wollte also der Gefahr begegnen, dass ein Teil der Wohnbevölkerung aus dem Gebiet verdrängt werde.

Das BVerWG entschied jedoch, dass der Beklagte, also die landeseigene Wohnungsgesellschaft, sein Vorkaufsrecht nach § 24 Absatz 1 Nummer 4 BauGB für das im Geltungsbereich einer Erhaltungsverordnung gelegene Grundstück nicht ausüben durfte. Nach § 26 Nummer 4 Alternative 2 BauGB ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird.

Mieterschutz wird im BGB geregelt

Wenn die Sache rechtlich so eindeutig ist, stellt sich die Frage, weshalb Vertreter der Politik sich so hartnäckig an dem Instrument des Vorkaufsrechts klammern. Die Antwort liegt wohl in der Tatsache begründet, dass Kommunen das städtebauliche Instrument des Milieuschutzes und das daraus resultierende Vorkaufsrecht häufig missbrauchen, um damit Mieterschutz zu betreiben. Dafür hat es der Gesetzgeber aber nicht vorgesehen. Mieterschutz findet im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und nicht im BauGB statt.

Die Milieuschutzsatzung verfolgt das Ziel, die Zusammensetzung der Bevölkerung zu stabilisieren, um sie vor städtebaulichen Missständen zu bewahren. Milieuschutz als Mieterschutz umzudeklarieren ist nicht nur untauglich, sondern birgt die Gefahr einer Zwei-Klassengesellschaft unter Mietern, die sich scharf an der Grenze eines Satzungsgebietes orientiert.

Vorkaufsrechte werden politisch zudem dazu missbraucht, eine kommunale Bodenvorratspolitik zu etablieren oder einen kommunalen Wohnungsbestand zu begründen. Kommunale Vorkaufsrechte sind jedoch einzig ein Mittel zur Sicherung der städtebaulichen Planung einer Kommune.

Die politischen Versäumnisse bei der Mobilisierung von Bauland und das teilweise Fehlen einer vorausschauenden kommunalen Boden- und Wohnungspolitik kann nicht geheilt werden, indem man in die Rechte und Handlungsoptionen von Eigentümern eingreift.

Die Gefahr von Milieuschutzgebieten

Ein weiteres großes Problem der bisherigen Praxis des Vorkaufs in Milieuschutzgebieten besteht darin, dass Privatpersonen vom Kauf abgehalten werden. Der Immobilienerwerb in einem Milieuschutzgebiet mit entsprechenden Vorkaufsverhandlungen mit der Kommune sind nur noch für unternehmerische Immobilienprofis auf Augenhöhe machbar. Privatpersonen haben diese Ressourcen in der Regel nicht.

Es gibt allerdings eine Vielzahl an Gründen, weshalb die gesamte Praxis der Ausweisung von Milieuschutzgebieten und nicht nur das aus dem Milieuschutz hervorgehende Vorkaufsrecht sehr fragwürdig ist. Zunächst sollte nämlich klar sein, dass Milieuschutz nicht vor Veränderungen in der Bewohnerschaft schützt.

Milieus verändern sich immer und überall. Haushalte erleben sozialen Auf- und Abstieg, sie wachsen durch Partnerschaft oder Nachwuchs und schrumpfen durch Trennung, Auszug der Kinder oder dem Tod von Haushaltmitgliedern. Das alles verändert ständig die Zusammensetzung der Bevölkerung völlig unabhängig von baulichen Aufwertungsprozessen.

Zudem sollte man sich dessen bewusst sein, dass es kein ökonomisches Gesetz oder Automatismus ist, dass bauliche Aufwertung zwangsläufig zu Verdrängung führt. Diese Argumentation wird jedoch immer ins Feld geführt, ohne einen Nachweis tatsächlicher Verdrängung zu führen.

Die Bundesregierung hat im Zuge des Baulandmobilisierungsgesetzes selbst zugegeben, dass es keine studien- oder evidenzbasierten Erkenntnisse über den tatsächlichen Zusammenhang von Aufteilungen und Verdrängungen gibt.

Natürlich findet vereinzelt Verdrängung statt. Die bestehende Faktenlage widerspricht aber der Annahme, dass Verdrängung in Deutschland ein zentrales Problem für Mieter darstellt. Studien zeigen z.B. für Berliner Innenstadtbezirke eine berechnete durchschnittliche Verdrängungsrate, also die Umzüge, die eine Reaktion auf immobilienwirtschaftliche Aufwertung waren, von nur 4,1 Prozent. Die laut einer zusätzlichen Umfrage erhobene Verdrängungsrate in Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte liegt bei nur 2,1 Prozent im Jahr.

Milieuschutz hemmt Klimaschutz

Problematisch wird das Thema Milieuschutz auch im Hinblick auf die Klimaschutzziele, da Milieuschutz die Eigentümer beim Klimaschutz beschränkt. Durch Abwendungsvereinbarungen wird energetische Sanierung nur auf dem gesetzlich geforderten Niveau erlaubt. Da jedoch lediglich Maßnahmen über dem gesetzlichen Niveau von der KfW gefördert werden, kommt diese Regelung einem Ausschluss von den Förderprogrammen gleich.

Am absurdesten scheint jedoch die Tatsache, dass die Beschränkungen einer Milieuschutzsatzung auch für selbstgenutztes Wohneigentum gelten. Die teilweise grotesken Festlegungen einer Milieuschutzsatzung, wie beispielsweise ein Verbot von Hänge-WCs oder bodentiefen Fenstern, sind auch für Selbstnutzer bindend. Ganz gleich, ob sie jemals beabsichtigen, mit ihrer Wohnung etwas anderes zu tun, als sie selbst zu bewohnen.

Fazit von RA Gerhard Frieser, Vorsitzender von Haus & Grund Nürnberg:

„Alle Fakten sprechen gegen die Ausweisung von Milieuschutzgebieten und zeigen die mitunter verheerenden Folgen des kommunalen Vorkaufsrechts auf. Der gesunde Menschenverstand ließe daher erwarten, dass die Bundesregierung nicht auf die Entschließung des Bundesrats zur Verschärfung eben jener nutzlosen bis schädlichen Instrumente eingeht. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass bei gewissen Themen weder evidenzbasierte Argumentation noch rechtliche Vorschriften die Politik beeinflussen.“

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